Wenig hat sich in den vergangenen Jahrzehnten für Casauran G. Pierre verändert. Der 83jährige lebt in seinem Häuschen am Gebirgsfluß Gave d’Aspe und beschneidet mit Akribie die Gartenhecke. Die Zeit scheint stillgeblieben zu sein, und dennoch ist für den alleinstehenden Mann nicht mehr alles so, wie es früher einmal war. „Damals fuhren meine Freunde und ich oft nach Pau. Jetzt ist sie nicht mehr da, die Bahn. Das Hupen und Rattern ist vorbei“, sagt Pierre etwas wehmütig. Hinter seinem Haus verlaufen die Schienen, auf denen einst Menschen und Güter durch das Bergland transportiert wurden. Doch das ist längst Vergangenheit. Pierre fügt sich dem Schicksal und verscheucht verächtlich seinen kläffenden Hund: „Wenn’s nicht rentabel ist, kann man’s nicht ändern.“
27. März 1970. Ein mit 320 Tonnen Mais beladener Güterzug hat die französisch-spanische Grenze passiert. Ziel ist der Bahnhof im französischen Pau. Nur mit großer Mühe können die beiden Loks die schwere Last auf der abschüssigen Strecke bremsen. Kurz nach der Ortschaft Urdos wird das Gefälle stärker, die Loks dröhnen, es gibt kein Halten mehr. Plötzlich versagt die manuelle Bremse, der Lokführer verliert die Kontrolle über den Zug und rettet sich mit einem Sprung aus dem Fahrerhaus. Herrenlos gewinnt der Güterzug auf drei Kilometern an Geschwindigkeit, rast auf eine Kurve zu und entgleist auf einer Brücke über den Gave d’Aspe.
Quelle: Die WELT, 25.07.1998